Wenn jemand “Norwegen” sagt, denken viele sofort an Dorsch, Köhler, Heilbutt. Aber hier bei uns in Buroysund, mitten in der Karlsøy Kommune, hat sich ein Fisch ganz still und heimlich in die Herzen unserer Gäste gegrätscht – die Scholle. Und zwar nicht irgendeine: Wir sprechen von Platten bis 70 Zentimeter, dick wie Frühstücksbrettchen und stark wie kleine Traktoren.

Tim, Thomas und ich haben’s neulich wieder erlebt. Ein Nachmittag, flaches Wasser, klare Drift – und plötzlich war jeder Biss wie ein freundlicher Schlag auf den Rücken: “Hier unten liegt noch was Großes.”

Dieser Blogbeitrag ist für alle, die beim Wort Plattfisch nicht gähnen, sondern die Route greifen. Denn Schollenangeln in Nordnorwegen ist alles – nur nicht langweilig.


Die Scholle – Meisterin der Tarnung mit Biss

Die Pleuronectes platessa, wie die Wissenschaft sie nennt, ist ein faszinierender Fisch. Ihre flache Form, ihre Farbgebung und die Fähigkeit, sich in den Meeresboden einzugraben, machen sie zu einem echten Stealth-Jäger – und für uns zu einem spannenden Zielfisch.

Schollen haben zwei Augen auf der rechten Körperseite und können sich nahezu perfekt an den Meeresboden anpassen. Mit winzigen Pigmentzellen in der Haut imitieren sie die Farben und Muster ihrer Umgebung – besser als mancher Tintenfisch. Sie ernähren sich von Muscheln, kleinen Krebsen, Würmern und allem, was sich am Boden bewegt. Der Biss kommt überraschend, meist als kurzes Zupfen oder Klopfen. Hat man den Anhieb gesetzt, beginnt der Tanz.

Was viele unterschätzen: Große Schollen sind starke Kämpfer, vor allem auf leichtem Gerät. Und sie sind wahre Feinschmecker – weshalb wir uns beim Köder Gedanken machen sollten.

Ein besonderes Highlight: Bei uns im Sund werden jedes Jahr Schollen über 60–70 cm gefangen – wahre Ausnahmefische. Und: Alle unsere Großschollen werden zurückgesetzt. Wir wollen, dass diese Riesen ihre Gene weitergeben – und die nächste Generation Angler auch noch was zu erzählen hat.


Wo wir sie finden – und wann

Die besten Schollenplätze rund um Buroysund liegen in flachen, sandigen Buchten mit leichtem Muschelgrund – oft nur 5 bis 20 Meter tief. Perfekte Bedingungen herrschen bei leichtem West- oder Nordwind, wenn eine konstante Drift das Boot langsam über die Plätze zieht.

Top-Spots: – Die Sandflächen im Kvalsundet
– Das Flachwasser vor Nordkvaløya
– Die inneren Buchten rund um Skogøya und die Hafenzugänge

Besonders produktiv sind die Monate Mai bis August, wobei auch im September noch gut gefangen wird – vorausgesetzt, das Wasser bleibt stabil und die Drift passt. Denn Schollen sind nicht die schnellsten Jäger – ist die Drift zu schnell, kommen sie nicht hinter den Ködern hinterher. Schollen lieben wärmeres Wasser und kommen mit den steigenden Temperaturen im Frühjahr in küstennähere Regionen.


Lebensweise & Wachstum – langsam, aber beständig

Schollen wachsen langsam. Eine 30-Zentimeter-Scholle ist meist schon 5 bis 6 Jahre alt, eine über 60 Zentimeter große kann gut und gerne über 15 Jahre alt sein. Sie laichen im Frühjahr, oft in tieferem Wasser, und ziehen danach wieder in flachere Zonen zur Nahrungsaufnahme. Der Lebensraum in unserer Region ist nahezu ideal: viel Nahrung, wenig industrielle Fischerei, wenig Druck.

Besonders große Schollen sind Einzelgänger und deutlich vorsichtiger als kleinere Exemplare. Das erklärt auch, warum viele Gäste zunächst nur kleinere fangen, während die “Dicken” etwas mehr Fingerspitzengefühl verlangen. Wir empfehlen, nach einem großen Biss die Drift nochmal zu wiederholen. Oft stehen sie zu zweit oder dritt.

Weltrekord – der Maßstab für Monsterplatten

Der aktuelle Weltrekord für eine gefangene Scholle liegt laut IGFA bei 7,51 kg, gefangen 2006 in Dänemark. Die Länge solcher Ausnahmefische liegt meist deutlich über 75 cm – das sind absolute Ausnahmeexemplare. Bei uns in Buroysund kommen wir mit 65 bis 70 cm großen Schollen schon in beeindruckende Bereiche, und man darf nicht vergessen: Diese Fische sind selten, alt und sollten mit Respekt behandelt werden. Wer eine fängt, kann sich glücklich schätzen – und darf gern den Maßstab an die Wand nageln. Also bei uns ist es absolut möglich den Weltrekord zu knacken.


Die Methode – leicht, präzise, effizient

Schollenangeln ist nichts für Grobmotoriker. Es geht um Gefühl, Köderführung und das richtige Timing beim Anhieb. Hier unsere bewährte Methode:

Rute: Leichte bis mittelschwere Spinnrute (20–60 g), am besten 2,40 m
Rolle: 3000er bis 4000er Stationärrolle mit feiner Bremse
Schnur: Geflochtene 0,12–0,16 mm, dazu ein 0,30er Fluorocarbon-Vorfach

Montage:
Unsere bewährte Schollenmontage besteht aus einem einfachen Seitenarm-System mit Grundblei (40–80 g je nach Drift) und zwei Haken am Mundschnurvorfach. Kleine Spinnerblätter, Leuchtperlen oder orangene Lockperlen machen hier oft den Unterschied. Die Haken (Größe 2 bis 1/0) sollten scharf und stabil sein.

Köder:
Schollen sind Gourmet-Fische. Am besten funktionieren:

  • Wattwürmer oder Seeringelwürmer (frisch oder gesalzen)
  • Streifen von Hering oder Makrele
  • Kleine Garnelen (Reker) oder Tintenfischstreifen
  • Oder – unser Geheimtipp – Muschelfleisch mit Wattwurm kombiniert

Wichtig: Den Köder nicht passiv liegen lassen, sondern immer wieder sanft anheben, zupfen und ziehen. Bewegung macht neugierig.

Die Scholle erkennt man auf den ersten Blick – zumindest, wenn man weiß, worauf man achten muss. Ihr Markenzeichen ist die leuchtend orange bis rötliche Punktzeichnung auf der augenseitigen, also rechten Körperseite. Diese Punkte sitzen auf einem meist bräunlich-oliven Grund und heben sich deutlich vom umgebenden Sand oder Geröll ab. Die Haut wirkt glatt, fast schleimig – anders als bei ihrer oft raueren Verwandtschaft.

Ein gutes Unterscheidungsmerkmal zur Flunder (die bei uns eher selten ist) ist die Hautbeschaffenheit: Während die Scholle glatt ist, fühlt sich die Flunder deutlich rauer an, fast schmirgelpapierartig. Zudem sind die Punkte bei der Flunder entweder gar nicht vorhanden oder unscheinbar und grau.

Im Vergleich zum Heilbutt, der bei uns ebenfalls regelmäßig vorkommt, ist die Scholle deutlich kleiner gebaut und wirkt „symmetrischer“. Der Heilbutt hat einen breiteren, massiveren Körper und einen asymmetrischen Kopf mit auffällig großem Maul und kräftigem Unterkiefer. Bei der Scholle hingegen ist das Maul eher klein und die Körperform elegant oval. Auch die Augenposition ist anders: Beim Heilbutt wandern die Augen meist stärker zur Oberkante des Kopfes, während sie bei der Scholle relativ mittig auf der rechten Körperseite liegen.

Die Rotzunge (auch Großzungen oder Lepidorhombus genannt) ist langgestreckter und schmaler als die Scholle. Ihr fehlt jegliche auffällige Punktzeichnung. Sie hat einen dunklen, fast grauen Rücken mit samtartiger Haut und ein deutlich nach hinten versetztes, größeres Maul – sie wirkt „stromlinienförmiger“ und ist beim Angeln eher ein Zufallsfang, meist in tieferem Wasser.

Wer also beim Angeln auf dem Boot eine platte Schönheit mit roten Punkten, glatter Haut und leichtem Glanz aus dem Wasser zieht – der hat ziemlich sicher eine Scholle gehakt. Und wenn sie dann noch über 50 Zentimeter misst, kann man schon mal leise „Majestät“ murmeln, bevor man sie behutsam zurück in den Sand schickt.


Fisch & Fang war da – und hat’s gesehen

Wir waren übrigens nicht die einzigen, die das Schollenpotenzial erkannt haben. Die Zeitschrift „Fisch & Fang“ war bei uns im Camp und hat einen ganzen Beitrag über das Schollenangeln bei Salty Element geschrieben. Und ja – seitdem fragt fast jeder zweite Gast nach dem Artikel.

Könnt ihr bei uns im Camp nachlesen – am besten bei einer Tasse Kaffee und Blick aufs Wasser. Oder direkt online bei den Kollegen.


Catch & Release – warum wir unsere Schollen schwimmen lassen

Viele der großen Schollen, die wir fangen, dürfen wieder zurück ins Wasser. Warum? Weil wir wissen, wie lange eine Scholle wachsen muss, bis sie 60 cm und mehr erreicht. Solche Fische sind meist 10 bis 15 Jahre alt, manche sogar älter.

Und wer einmal gesehen hat, wie ein dicker Plattfisch sich elegant zurück in den Sand wirbelt, weiß: Das ist besser als jeder Fang-Foto-Rekord.


Kulinarik – Scholle auf dem Teller

Trotzdem: Kleinere Fische unter 50 cm, sauber gekühlt und verarbeitet, sind absolute Delikatessen. Hier ein paar Tipps zur Zubereitung:

1. Klassisch gebraten:
– In Mehl wenden, in Butterschmalz goldbraun braten
– Mit Zitronenbutter, Petersilienkartoffeln und einem kühlen Weißwein servieren
– Wichtig: Haut dranlassen – die gibt Geschmack

2. Scholle „Finkenwerder Art“
– Mit Speckwürfeln, Zwiebeln und brauner Butter
– Funktioniert auch in Norwegen – auch wenn’s keiner Finkenwerder ausspricht

3. Im Ofen gegart:
– Ganze Scholle mit Kräutern und Gemüse in Backpapier oder Alufolie
– Bei 180 °C ca. 25 Minuten – dann ist sie butterweich und aromatisch

4. Geräuchert oder gepökelt:
– Eher ungewöhnlich, aber möglich – besonders kleinere Fische filetieren, leicht salzen, kalt räuchern und dann auf Brot mit Sahne-Meerrettich servieren


Fazit – die unterschätzte Königin der Küsten

Schollenangeln ist für uns mehr als ein Beifang. Es ist eine bewusste Entscheidung für feines Angeln, spannende Drills auf leichtem Gerät und eine Begegnung mit einem Fisch, der mehr kann, als viele denken.

Wer’s einmal erlebt hat, wie eine 65er Scholle im Sonnenlicht schimmert, die Route krumm zieht und sich dann in aller Ruhe in den Grund zurücklegt – der weiß, dass Platt gar nicht langweilig ist.

Bis bald im Camp – wir zeigen euch die Plätze.
Und bringen den Senf auch gleich mit.

– Steffen
(Salty Element, Buroysund)

 

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