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Neulich war ich mit Tim draußen. Richtig tief. 200 Meter, teils mehr. Wir wollten’s nochmal wissen – und siehe da: Die Rotbarsche haben geliefert. Herrliche Exemplare, bis knapp 10 Kilo. Und wieder ist mir klar geworden, warum dieser Fisch so faszinierend ist. Nicht nur, weil er gut auf dem Teller liegt. Sondern, weil er ein echtes Tiefseewesen mit Charakter ist. Ein Fisch, der mehr über das Meer erzählt als viele andere. Deshalb hier mal ein ganzer Blogbeitrag über den Rotbarsch – speziell für unsere Region rund um Buroysund. Was ihr wissen müsst, wo ihr ihn findet und warum dieser Fisch mehr Respekt verdient, als er von der industriellen Fischerei oft bekommt.
Der Rotbarsch – ein Fossil mit Flossen
Der Rotbarsch (lateinisch: Sebastes marinus, manchmal auch Sebastes norvegicus) ist ein Tiefseefisch mit Charakter und Geschichte. Er wächst langsam, wird uralt – wirklich uralt. 50 Jahre sind keine Seltenheit, einige Exemplare haben laut Altersanalysen sogar über 100 Jahre auf dem Buckel. Seine leuchtend rote Farbe kommt vom Pigment Astaxanthin, das er über seine Nahrung aufnimmt. Und sein dick gepanzertes Schuppenkleid lässt schon erahnen, dass man ihm nicht einfach so beikommt.
Typisch für den Rotbarsch sind die riesigen Augen, die ihn perfekt an das Leben in der Tiefe angepasst haben – und natürlich seine Dornen, die einem beim Hakenlösen schon mal zeigen, wer hier eigentlich Chef im Ring ist. Also: Handschuhe mitnehmen. Und Respekt sowieso.
Wo wir ihn finden – und wann
In unserer Region rund um Buroysund trifft man ihn fast immer tief an. Wenn man gezielt auf Rotbarsch geht, sollte man bereit sein, 150 bis 300 Meter tief zu fischen. Wir haben gute Stellen draußen im Kvalsundet und auf den Plateaus nordwestlich von Nordkvaløya. Wichtig ist, dass man die Abbrüche und Rinnen kennt – dort sammelt sich das Futter, und dort stehen die Rotbarsche in ganzen Schulen. Manchmal sieht man auf dem Echolot eine eigene Schicht zwischen 180 und 240 Meter. Wenn das Bild aussieht wie ein dicker roter Teppich in Bewegung – dann bist du drauf.
Beste Fangzeit bei uns ist eigentlich das ganze Jahr über. Allerdings: Von Mitte September bis Ende Mai ist Rotbarsch in vielen Gebieten Norwegens aus gutem Grund geschützt – also unbedingt vorher die aktuellen lokalen Schonzeiten und Fangverbote checken, denn diese können sich ändern und betreffen teilweise auch Freizeitangler.
Wie man ihn fängt – das Beste kommt aus der Tiefe
Rotbarsch ist kein Fisch für die schnelle Runde zwischen Frühstück und Mittag. Du brauchst Geduld, ein stabiles Setup und ordentlich Gewicht. 500 Gramm Blei aufwärts sind keine Seltenheit, besonders wenn etwas Drift dabei ist. Wir nutzen meistens Paternoster-Systeme mit 2 bis 3 Haken, Haken der Größe 3/0 oder 4/0, mit Leuchtperlen oder kleinen Gummifischen kombiniert.
Was den Köder angeht: Naturköder wie Makrelenstreifen, Hering oder Tintenfisch funktionieren am besten. Wichtig ist: wenig Bewegung, viel Duft. Der Rotbarsch beißt nicht aggressiv – er saugt. Man merkt es oft nur als kleines „Ziehen“, und dann sollte man nicht lange fackeln. Im Drill ist er keine Rakete – aber auf 200 Meter spürt sich selbst ein 2-Kilo-Fisch an wie ein Kraftakt. Und bei 10 Kilo fragt man sich irgendwann, ob man da gerade einen Anker hochholt oder ein Lebewesen.
Industrielle Fischerei – und warum wir’s besser machen
Der Rotbarsch ist einer der letzten echten Tiefsee-Schätze. Doch genau das macht ihn für die industrielle Fischerei so interessant – und leider auch so gefährdet. Während wir hier in Buroysund mit der Angel und Geduld an der Rute auf 200 Meter Tiefe runtergehen, arbeiten draußen auf dem offenen Meer die ganz großen Kaliber: Fabriktrawler, die in einem einzigen Schlepp mehrere Tonnen Rotbarsch an Bord holen. Diese Schiffe setzen Schleppnetze in Bereichen ein, in denen ganze Bestände jahrzehntelang wachsen müssen, bevor sie überhaupt reproduzieren können. Dabei wird nicht nur der Zielbestand überfischt, sondern auch der Meeresboden zerstört und Beifang – etwa Tiefseeschwämme, andere Langsamwüchsler oder Jungtiere – einfach mitgenommen.
Das große Problem: Der Rotbarsch wächst langsam, wird spät geschlechtsreif und lebt in Bereichen, die biologisch sensibel und schwer kontrollierbar sind. Hat man einen Bestand einmal „leergeräumt“, dauert es Jahrzehnte, bis er sich erholt – wenn überhaupt. Und während die Trawler ihre Beute schockfrosten und in Blöcken verpackt nach Asien verschiffen, geht der Bezug zum Lebewesen komplett verloren. Hier bei uns sieht das anders aus: Ein Angler, ein Fisch. Nachhaltiger geht’s kaum. Unsere Gäste fangen selektiv, maßvoll und mit Respekt. Ein 6-Kilo-Fisch ist eine Delikatesse, die mit Sorgfalt verarbeitet wird. Und genau so sollte es sein.
Weltrekorde und Größenwahn
Der aktuelle Weltrekord liegt bei knapp 12 Kilo – ein Gigant aus isländischen Gewässern. Unsere Fische in Buroysund brauchen sich trotzdem nicht verstecken. Exemplarische Fänge um die 6 bis 8 Kilo sind regelmäßig möglich, und Tim hat neulich einen gefangen, der war so breit, dass wir ihn kaum an Bord bekommen haben. Bei 10 Kilo wird’s dann wirklich biblisch.
Und was macht man damit?
Rotbarsch ist kulinarisch eine Wucht – und das auf vielfältige Weise. Sein Fleisch ist hell, fest, saftig, und dabei völlig grätenarm, wenn man sauber filetiert. Es eignet sich hervorragend für klassische Zubereitungen, aber auch für Experimente. Hier ein paar erprobte Varianten, wie wir ihn im Camp genießen – und wie ihr das auch zuhause hinbekommt:
1. In Butter gebraten – der Klassiker:
Frisches Filet leicht salzen, mehlieren und in Butter (gern mit einem Schuss Öl) goldbraun braten. Etwas Zitrone drüber, frische Petersilie, fertig. Dazu passen Kartoffeln oder ein frischer Salat. Funktioniert immer – auch bei Skeptikern.
2. Im Backofen gegart:
Rotbarschfilets auf ein Bett aus Gemüse (z. B. Fenchel, Zucchini, Tomaten) legen, mit Olivenöl beträufeln, frische Kräuter drauf (Rosmarin, Thymian), Alufolie drüber und bei 180 Grad 25 Minuten in den Ofen. Das Fleisch bleibt saftig, das Gemüse nimmt das Aroma auf.
3. In Senfsauce oder Sahnesud:
Ein echter Winterwärmer: Filets sanft pochieren und dann mit einer cremigen Sauce aus Dijon-Senf, Sahne, Weißwein und Schalotten servieren. Dazu ein Glas Riesling und ein dicker Pulli – perfekter Abend.
4. Geräuchert – Gold aus der Tonne:
Rotbarsch lässt sich wunderbar heißräuchern. Das Filet wird trocken gesalzen (1–2 Stunden), dann abgespült, kurz angetrocknet und in den heißen Rauch gehängt. Kirschholz oder Buchenholz mit Wacholder funktioniert sehr gut. Nach ca. 60–90 Minuten bei 80 Grad ist das Fleisch goldbraun, mürbe und voller Aroma. Schmeckt mit Schwarzbrot, Gurke und Remoulade – oder einfach so, direkt vom Messer.
5. Suppe & Einlage:
Was viele nicht wissen: Rotbarsch eignet sich auch wunderbar für Suppen und Eintöpfe. Gräten und Kopf ergeben eine hervorragende Brühe, das Filet kann kurz vor dem Servieren beigegeben werden. Perfekt als norwegische Variante der Bouillabaisse – mit Sahne, Lauch, Fenchel und Dill.
6. Einlegen oder Konservieren:
Wer ihn nicht gleich essen will, kann Rotbarsch auch einkochen oder einlegen – etwa mit Essig, Zwiebeln und Gewürzen als Aufschnitt. Das hat Tradition, hält lange und schmeckt überraschend frisch.
Ganz gleich, für welche Variante man sich entscheidet – bei so einem Fisch sollte man sich Zeit nehmen. Der Rotbarsch hat Jahrzehnte gelebt, bis er auf den Teller kommt. Das verdient mehr als Paniermehl und Fritteuse. Es verdient Aufmerksamkeit. Und ein Glas guten Schnaps dazu.
Fazit – ein Fisch, der Respekt verdient
Rotbarschangeln ist keine Massenveranstaltung, sondern eine ruhige, ehrliche und tiefgründige Angelegenheit – im doppelten Sinne. Wer’s richtig macht, erlebt nicht nur spannende Drills, sondern auch eine Verbindung zur Tiefe, die man sonst selten hat. Und wer einmal so einen roten Koloss ans Tageslicht geholt hat, wird ihn nicht mehr vergessen.
Also: Leinen klar, Köder runter, Rücken durchdrücken – und abtauchen ins Reich der alten Roten.
– Steffen
Salty Element ist dein Angelabenteuer in Nordnorwegen – sechs gemütliche Häuser, acht Boote und unvergessliche Erlebnisse in Buroysund, Karlsøy. Wilde Natur, große Fische, echte Geschichten.